Sie können einen Film begleiten, in Szene setzen, verändern, leiten – Farben im Film und das Spiel mit ihnen sind so essenziell wie der Ton in der Musik. Wer es weiß, sie in einem Film richtig einzusetzen, kann damit dem gesamten Streifen eine neue Qualität geben. Bekannte Blockbuster wie Sin City, Pulp Fiction oder auch O Brother, Where Art Thou? sind nur ein paar der Leinwandstreifen, die die amerikanische Grafik-Designerin Roxy Radulescu in ihrem Tumblr Movies In Color in ihre farblichen Einzelteile zerlegt hat. Und das mit interessanten Ergebnissen…
Die Motivation – Das Ergebnis aus Ursache und Wirkung
„Research is first. I search for stills that are compositionally interesting as well as rich in color. I use the help of a color generator to get a very basic range of swatches. Then I piece together the general palette from that and other colors I think are prominent or worth including from the still. It’s all done in Photoshop to keep layout and swatch sizes consistent and to facilitate color sampling from the image.“
Die ambitionierte Grafik-Designerin kam zum ersten Mal beim Anschauen des James-Bond-Movies Skyfall und dessen verschiedenen Farbgebungen auf die Idee, die einzelnen Farbkomponenten eines Films mithilfe von Produktionsfotos und Standaufnahmen zu analysieren. Dabei geht sie auch ab und zu mal selbst mit Photoshop zur Hand und filtert Farbnuancen aus den Bildern, wenn der Color Generator nicht die kleinen Feinheiten erkennt, die eine Farbgebung für das menschliche Auge haben kann.
Radulescu möchte mit Movies in Color andere Künstler und Interessierte erreichen, die so einen Einblick in die Welt der Farbgebung und deren Intention erhaschen können oder sich für eigene Projekte inspirieren lassen wollen und nicht so recht wissen, wie sie den besten Effekt für die gewünschte Stimmung farblich einfangen und verstärken können. Die Arbeit macht sich bezahlt: immer mehr Neugierige schauen auf dem jungen Tumblr-Blog vorbei, einige kommen immer wieder, lassen sich inspirieren, loben das Projekt, schlagen Filme vor, werden Teil des Blogs, Teil des Projektes. Radulescu bekommt immer mehr Resonanz. Seit einiger Zeit postet sie Farbpaletten in Werkreihen einiger Regisseure, angefangen von Ingmar Bergman und Alfred Hitchcock über David Lynch, Woody Allen und Milos Forman bis hin zu aktuellen Regiestars wie Christopher Nolan, Quentin Tarantino und Ben Affleck.
Contrast – Era – Mood – Meaning
„I was taken with the cinematography and use of color more-so than the story itself“
Wie funktionieren nun die Farben im Film? Was bewirken sie beim Zuschauer? Im Grunde werden vier Aspekte von Filmfarben berührt: Erzeugung von Kontrast, Bestimmen einer Ära, Kreieren einer Stimmung, das Unterlegen von Bedeutung.
Ein Filmstreifen ist farbtechnisch hervorragend wenn er es schafft, zwischen den einzelnen Szenen keine scharfen Gegensätze zu erzeugen und ein homogenes Bild zu kreieren. Trotzdessen werden in den einzelnen Abschnitten moderner Filme gern Kontraste erzeugt, und das am liebsten mit dem Digital Color Grading unter Bezugnahme von Komplementärfarben, die auf dem jeweils anderem Ende der Farbskala stehen und sich ergänzen.
Hollywood-Produktionen benutzen gern das Zusammenspiel (oder Gegenspiel, je nachdem, wie man es nimmt) von Blau(-grün) und Orange. Letzteres kommt dem menschlichen Hautton am nächsten, während das Blau(-grüne) etwas Kühles und Fremdartiges darstellt, das etwa einen Ruhepol versinnbildlichen kann. Der Kontrast besteht nun aus warm und kalt oder aus Gefahr und Sicherheit, je nach exakter Farbgebung und Situation im Film.
Auch kann man den Kontrast wählen, um bestimmte Personen oder Gegenstände hervorzuheben. Auch hier macht man vor allem von Komplementärfarben Gebrauch.
Die Farben im Film können aber diesem auch seiner Handlungsepoche die entsprechende Farbgebung verpassen, die man am ehesten mit der jeweiligen Ära verbindet. Die 60er und 70er zum Beispiel sind grundsätzlich eher in warmen und satten Farben gehalten wie einem Braun- oder Orange-Ton. Dabei spielt wieder die Akzentuierung und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Farben eine große Rolle für Glaubwürdigkeit und Ästhetik eines Films.
Auch können zeitgenössische Kunstwerke den Ton eines Filmes maßgeblich beeinflussen. Milos Formans spätes Meisterwerk Goyas Geister ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür: der Kameramann des Films Javier Aguirresarobe ließ sich durch zahlreiche Kunstwerke der Zeit um Beginn des 19. Jahrhunderts beeinflussen, um die gewünschte unbequeme Atmosphäre der Zeit und der Handlung für die Leinwand einzufangen.
Natürlich können Farben auch eine gewisse Stimmung erzeugen, die den Charakter des Filmwerkes unterstützen oder prägen. Egal ob einladend und heiter oder bedrohlich und düster: mit den richtigen Farben kann man jede Stimmung erzeugen und auch konterkarieren.
Um einen bestimmten Charakter oder eine Entscheidung dessen ins richtige Licht zu rücken, wird die psychologische Wirkung von Farben genutzt, um diese zusätzlich zu verdeutlichen. Die Kult-Serie Breaking Bad bewies dies in den letzten Jahren eindrucksvoll, indem sie jeder Person eine Kleidungsfarbe zuordnete und der aufmerksame Zuschauer schon vorher erahnen konnte, was bald passieren wird. Filme wie Made in U.S.A. oder Contempt von Jean-Luc Godard sind frühe Beispiele für die Wirkung der Farbe Rot: sie versinnbildlicht Gefahr, aber auch Lust und Schuld.
Auch in dieser Szene von House of Flying Daggers verrät das Grün als beruhigende Farbe, dass es nicht zur Enthauptung kommen wird.